„Ein Kriegsverbrechertribunal für die Ukraine? – Beobachtungen, Dokumentationen und Analysen der Verletzungen von Menschenrechten, Humanitärem Völkerrecht und Völkerstrafrecht auf dem Gebiet der Ukraine“
Projektverantwortliche: Cindy Wittke
Projektmitarbeiterinnen: Oksana Senatorova, Kateryna Busol (bis Februar 2023), Tetyana Malyarenko (bis Oktober 2022)
Laufzeit: 2022—2023
Förderung: VolkswagenStiftung, Gastforschungsprogramm für geflohene ukrainische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
Russlands Angriffskrieg gegen das gesamte Territorium der Ukraine seit dem 24. Februar 2022 hat unermessliches menschliches Leid verursacht. Russlands Handeln stellt die Säulen der etablierten internationalen regelbasierten politischen Ordnung in Frage und untergräbt die regionale und internationale Sicherheit. Diese Entwicklungen sind untrennbar mit dem Fehlen einer konzertierten internationalen Reaktion auf Russlands anfänglicher Aggression gegen die Ukraine verbunden, die sich in der illegalen Annexion der Krim und in dem bewaffneten Konflikt in und um die Region Donbass seit 2014 manifestierte.
In Anbetracht dieser Dynamiken verfolgen die mit dem Projekt assoziierten Völkerrechtlerinnen und Politikwissenschaftlerinnen ein dreifaches Ziel: Erstens analysieren sie den eskalierenden und anhaltenden internationalen bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine und die damit einhergehenden Verstöße gegen das Völkerrecht und entwickeln Vorschläge für Reaktionen und Handlungsoptionen der internationalen Gemeinschaft, um Frieden und Gerechtigkeit wieder herzustellen. Im Rahmen des Projekts wird untersucht, wie diese Reaktionen und Handlungsoptionen bzgl. der Vorwürfe von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord aussehen könnten. Ein besonderes Augenmerk der völkerrechtlichen Forschung liegt dabei auf den Überschneidungen zwischen den drei genannten Gräueltaten und dem vor dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg erstmals verhandelten Verbrechen der Aggression eines Staates gegen einen anderen. Zweitens verbindet das Projekt die in den Jahren 2014 bis 2021 und seit der vollständigen russischen Invasion begangenen Verbrechen miteinander und strebt so eine ganzheitlichere Betrachtung an, um reflektiert über die Möglichkeiten von Transitional Justice für die Ukraine zu diskutieren. Und schließlich präsentiert das Projekt alle Analysen und Vorschläge immer von einer Perspektive aus, die die Überlebenden der Verbrechen schützen will.
Folgende Themen werden in dem gesetzten Rahmen von den Wissenschaftlerinnen bearbeitet:
- Die sich verändernde Art der von Russland begangenen Gräueltaten in der Ukraine und die Einstufung der mutmaßlichen Verstöße als Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord;
- Die Herausforderungen bei der Dokumentation und strafrechtlichen Verfolgung der in der Ukraine begangenen Gräueltaten;
- Die Rolle von Opfern vor einem internationalen Tribunal für das Verbrechen des Angriffskriegs;
- Die Deportation ukrainischer Kinder als eigenständiges internationales Verbrechen und als Hinweis auf Russlands mutmaßlichen völkermörderischen Vorsatz;
- Konfliktbedingte sexuelle Gewalt und die geschlechtsspezifischen Dimensionen von Gräueltaten im Zusammenhang mit Russlands Aggression und der Reaktion der Justiz auf diese Verbrechen;
- Die Entwicklung des ukrainischen Rechtssystems und wie es erweitert werden sollte, um mehr Initiativen zur Transitional Justice einzubeziehen.
- Die russische Wirtschaftspolitik in den besetzten Gebieten und die damit einhergehende schleichende Entmodernisierung
Die Forscherinnen haben ihre Ergebnisse im Rahmen von zahlreichen internationalen wissenschaftlichen Veranstaltungen vorgestellt. Außerdem haben sie ihre wissenschaftlichen Analysen mit ukrainischen Ermittler*innen, Staatsanwält*innen, Richter*innen, dem Ombudsmann des ukrainischen Parlaments (z. B. Sonderbericht) und anderen ukrainischen und internationalen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren ausgetauscht, um die Justiz bei der Dokumentation und Verfolgung von Gräueltaten im Rahmen der russischen Aggression zu unterstützen. Die Wissenschaftler*innen stehen dabei in direktem Kontakt mit den Opfern der Verbrechen und nahmen an Aktivitäten der Zivilgesellschaft teil, die darauf abzielten, Informationen über Beweise für solche Verbrechen zu sammeln und künftige Wiedergutmachungsprogramme für die Opfer zu entwickeln.
Förderung: