Von allen Regionen Europas blickt Ost- und Südosteuropa auf die meisten Umbrüche seit dem 19. Jahrhundert zurück. Dies macht die Region zu einem exemplarischen Transformationsraum. Allein die Tatsache, dass hier seit 1990 24 Staaten ihre Unabhängigkeit erlangten, verdeutlicht die Massivität des Wandels, denn damit gingen weitreichende Umwälzungen auch des politischen und ökonomischen Systems sowie der sozialen und kulturellen Ordnungen einher. 1945, 1918 oder 1878 markierten ähnliche Zäsuren. Nur hier wurde (und wird) in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg Krieg geführt. Insofern stellt sich nicht nur großer Forschungsbedarf, um diese wiederholten Transformationen in ihren Ursachen und Folgen zu erklären, sondern Erkenntnisse aus Ost- und Südosteuropa leisten einen wichtigen Beitrag zu allgemeinen Fragen, wie den Voraussetzungen für nachholende Entwicklung, den Dynamiken von Demokratisierung und Ent-Demokratisierung oder der Staats- und Nationsbildung in multiethnischen, post-imperialen Räumen. Als historisch wie aktuell durch geopolitische Rivalitäten geprägte Region kommt ihr auch besondere politische Bedeutung zu, gerade auch für Deutschland als unmittelbaren Nachbarn. Hier stellen sich zentrale Herausforderungen für die Zukunft des europäischen Projekts, z. B. in Bezug auf die EU-Integration des Westbalkans und die Stabilisierung der Ukraine. Mit seiner Forschung über diese Fragen und ihre historischen Hintergründe bringt das IOS Licht in komplexe Zusammenhänge.
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Ziele und Grundsätze
Das Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) baut auf einer mehr als 90-jährigen Geschichte der Erforschung des östlichen und südöstlichen Europas durch seine Vorläuferinstitute (Osteuropa-Institut und Südost-Institut). Es verfolgt das primäre Ziel, innovative Forschung im internationalen Rahmen zu leisten und für die Forschungscommunity wichtige Infrastrukturleistungen zu entwickeln und bereitzustellen sowie die Öffentlichkeit über die Region zu informieren.
Mit seiner internationalen Sichtbarkeit und Regionalexpertise trägt es wesentlich zum Area-Studies-Cluster in Regensburg bei und will diesen gemeinsam mit der Universität Regensburg weiter stärken. Als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft (seit 2017) profitiert es von den vielfältigen Möglichkeiten dieses einmaligen Verbundes von mehr als 90 wissenschaftlichen Einrichtungen und trägt zu dessen Weiterentwicklung bei.
Warum Ost- und Südosteuropa?
Forschung
Das Institut bündelt geschichts-, wirtschafts- und politikwissenschaftliche Expertise zu multidisziplinären Forschungsschwerpunkten und will so maßgeblich zu der Entwicklung neuer Perspektiven für die Erforschung Ost- und Südosteuropas beitragen. Das IOS betreibt dabei primär Grundlagenforschung mit dem Ziel, zu relevanten Diskussionen nicht nur wichtige Forschungsbeiträge zu leisten, sondern auch neue Debatten anzustoßen. Die Forschung des IOS positioniert sich einerseits in regionalwissenschaftlichen, andererseits in fachdisziplinären Diskursen. Zusammenhalt stiften dabei die Leitbegriffe der IOS-Forschung („Transformation“, „Institution“, „Kontinuität und Diskontinuität“, „Konvergenz und Divergenz“) und das gemeinsame Interesse für die Raumgebundenheit der beobachteten Phänomene. In einer Welt, in der alles mit allem zusammenzuhängen scheint, wollen wir erklären, warum vieles dann doch so unterschiedlich ist. Aktuell fokussiert das IOS zwei Forschungsschwerpunkte: (1) „Institutionalisierung, De‐Institutionalisierung, Re‐Institutionalisierung“ und (2) „Mobilität(en) und Ungleichheit(en)“. Und mit dem Leibniz-WissenschaftsCampus „Europa und Amerika in der modernen Welt“ untersucht das IOS gemeinsam mit der Universität Regensburg Bruchlinien und Transformationen in den Globalisierungsprozessen seit dem 19. Jahrhundert.
Wissenstransfer und Forschungsunterstützung
Ein zentrales Ziel des IOS ist, das neu gewonnene Wissen in unterschiedliche gesellschaftliche Diskurse einzubringen – im Bewusstsein der großen Bedeutung der Region für die europäische und deutsche Politik, aber auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. Das Institut liefert Beiträge für ein fundiertes Verständnis der Veränderungsprozesse im östlichen und südöstlichen Europa sowohl für Wissenschaft und Politik als auch für die interessierte Öffentlichkeit. Es bietet damit wichtiges Orientierungswissen. Es berät etwa regelmäßig Bundestagsabgeordnete, veröffentlicht Kurzanalysen und organisiert viele Publikumsveranstaltungen. Unterstützt wird der umfangreiche Wissenstransfer durch den Servicebereich des IOS. Als zweiter Schwerpunkt der Institutsarbeit – neben der Grundlagenforschung – umfasst dieser eine führende Fachbibliothek mit mehr als 340 000 Medieneinheiten, die Herausgabe internationaler Fachzeitschriften, Buchreihen und Grundlagenwerke sowie zunehmend die Bereitstellung diverser digitaler Informationen. Diese Services richten sich sowohl an die gesamte Forschungscommunity als auch an die interessierte Öffentlichkeit.
Internationalisierung
Zentral für das Profil des IOS ist seine internationale Ausrichtung, die bereits im Forschungsgegenstand begründet liegt, und sich in hohem Maße in der Zusammensetzung seiner Mitarbeiter*innen sowie seinem Programm zeigt. Das Institut fördert Internationalisierung durch ein eigenes Gastwissenschaftler*innen-Programm sowie die Betreuung internationaler Stipendiat*innen anderer Förderorganisationen. Regelmäßig forschen etwa Humboldt-Forschungsstipendiat*innen oder Marie Curie Fellows am IOS. Das Institut unterhält zahlreiche institutionalisierte Kooperationen mit führenden Forschungseinrichtungen der Ost- und Südosteuropaforschung und entwickelt dieses weltweite Netzwerk systematisch weiter. Durch den Leibniz-WissenschaftsCampus ist es etwa mit führenden Area-Studies-Einrichtungen in Nordamerika verbunden. Besonders eng und intensiv sind die Beziehungen zur Netzwerkpartnern in der Untersuchungsregion selbst. Darüber hinaus steht die Bibliothek des IOS im aktiven Austausch mit mehr als 250 Partnerbibliotheken weltweit und sorgt auf diese Weise für die fortlaufende Erweiterung ihres international bedeutenden Medienbestands. Durch die Organisation zahlreicher wissenschaftlicher Veranstaltungen im In- und Ausland sowie die Herausgabe internationaler Zeitschriften bietet das IOS wichtige Orte und Plattformen für den wissenschaftlichen Austausch und die Weiterentwicklung des Fachdiskurses; insbesondere unterstützt es damit den Dialog zwischen den wissenschaftlichen Communities in Ost und West.
Chancengleichheit
Chancengleichheit, Gleichstellung und die Förderung von Diversität gehören zum Selbstverständnis des Instituts. Dies betrifft sowohl die Funktion des Instituts als Arbeitgeber als auch seine Wirkung nach außen. Gleichstellung versteht das Institut in einem umfassenden Sinne als Abwesenheit der Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung, Nationalität sowie ethnischer und konfessioneller Zugehörigkeit – und dem aktiven Vorgehen gegen solche Diskriminierungen. Für das IOS bezieht sich Nicht-Diskriminierung nicht nur auf die am Institut Beschäftigten, sondern auf alle Gruppen, mit denen das IOS in seinen unterschiedlichen Funktionen und Aufgaben zu tun hat. Das IOS fördert zudem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Bei einem überdurchschnittlichen Anteil weiblicher Beschäftigter strebt das Institut insbesondere die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen an. Die Ziele und Maßnahmen des IOS im Bereich der Gleichstellung der Geschlechter wurden 2021 durch die Verleihung des Total E-Quality Zertifikats gewürdigt.
Nachwuchsförderung
Die Förderung und Ausbildung junger Wissenschaftler*innen ist ein weiteres zentrales Ziel des IOS. Denn die dynamische Weiterentwicklung der Forschung über Ost- und Südosteuropa hängt davon ab, dass junge Forscher*innen originelle Fragen und neue Ansätze entwickeln sowie etablierte Paradigmen kritisch hinterfragen. Zu ihrer Förderung setzt das IOS gezielte Instrumente um und hat die Stelle einer Nachwuchskoordinatorin geschaffen, mit dem Ziel, diese bei der frühzeitigen Herausbildung eines eigenständigen wissenschaftlichen Profils zu unterstützen und ihre Karrieremöglichkeiten zu stärken. Ein wichtiges Ziel ist dabei die Einbindung der Nachwuchswissenschaftler*innen in internationale Zusammenhänge. Drittmittel werden gezielt für die Beschäftigung und Förderung von Nachwuchswissenschaftler*innen eingeworben. Die meisten Promovierenden des IOS werden dabei im Rahmen der Graduiertenschule ausgebildet. Im Sinne der Internationalisierung lädt das Institut Promovierende aus dem Ausland ein, mit Gaststipendien Zeit am IOS zu verbringen. Darüber hinaus spricht das IOS Studierende einschlägiger Fächer an, um diese frühzeitig für die wissenschaftliche Beschäftigung mit Ost- und Südosteuropa zu interessieren, etwa im Rahmen eines Praktikums am IOS.
Standort Regensburg
Das IOS profitiert von der seit Jahren gewachsenen Ost- und Südosteuropaexpertise in Regensburg und entwickelt diese durch sein besonderes Profil und seine klaren Entwicklungsziele kontinuierlich weiter. Als größtes außeruniversitäres Institut des Ost-/Südeuropa-Clusters Regensburg kooperiert es mit komplementären Forschungseinrichtungen vor Ort wie dem Institut für Ostrecht und mit den einschlägigen, über mehrere Fächer verteilten Einrichtungen der Universität Regensburg. IOS-Mitarbeiter*innen tragen dabei auch zur Lehre in den (Süd-)Osteuropa-bezogener Studiengänge der Universität Regensburg sowie zur Promovierendenausbildung bei. Ein besonders wichtiger und zukunftsweisender Kooperationszusammenhang ist das im Entstehen begriffene Department for International and Multiscalar Area Studies (DIMAS) bzw. seine Vorgängereinrichtung, das Center for International and Transnational Area Studies (CITAS) – in deren Rahmen erfolgt nicht nur transregionaler und komparativer Austausch, sondern sie dienen auch zur konzeptionellen Weiterentwicklung der Area Studies. Der von IOS und Universität Regensburg gegründete Leibniz-WissenschaftsCampus „Europa und Amerika in der modernen Welt. Friktionen und Transformationen von Globalität“ ist ein wichtiges Ergebnis dieser Bemühungen.
Das IOS profitiert aber auch von der Stadt Regensburg: Mit ihrer fast 2000-jährigen Geschichte und starken wirtschaftlichen Dynamik bietet sie einen äußerst attraktiven Arbeits- und Lebensort. Regensburg verfügt über eine der größten zusammenhängenden mittelalterlichen Altstädte, die zu großen Teilen UNESCO-Weltkulturerbe ist. Zahlreiche Unternehmen vor Ort profitieren vom Wissenschaftsstandort Regenburg und schaffen attraktive Arbeitsplätze. Durch die Donau und ihre Städtepartnerschaften ist die Stadt eng mit Ost- und Südosteuropa verbunden – für das IOS ein ideales Umfeld, das Kreativität und Dynamik fördert.