Monografie von Oliver Jens Schmitt: "Machtkirche zwischen Diktatur und Demokratie"
In der vom IOS herausgegebenen Reihe "Südosteuropäische Arbeiten" ist die Monografie "Machtkirche zwischen Diktatur und Demokratie. Geschichte der Rumänischen orthodoxen Kirche (1918–2023)" von Oliver Jens Schmitt erschienen. Der Band hat in der rumänischen Öffentlichkeit bereits zahlreiche Diskussionen hervorgerufen.
Zum Inhalt: Die Rumänische orthodoxe Kirche ist heute die größte orthodoxe Kirche innerhalb der Europäischen Union. Neben der Armee und der Akademie der Wissenschaften gilt sie in Rumänien als eine der Säulen von Staatlichkeit und nationaler Identität.
Kaum eine andere Institution hat die zahlreichen Brüche der jüngeren rumänischen Geschichte so gut überstanden wie diese Kirche. Im fragilen parlamentarischen Verfassungsstaat (1918-1938), in den rechtsautoritären Diktaturen (1938-1944), unter der langen kommunistischen Herrschaft (1944-1989) und im noch unvollendeten Übergang zu einem stabilen demokratischen Rechtstaat hat sie sich mit dem jeweiligen System stets arrangiert. Das Buch untersucht ihr Verhältnis zu Staat und Gesellschaft. Es zeigt, dass die Kirche gegenüber dem rumänischen Staat noch nie so viel Macht besessen hat wie heute. Und es untermauert, wie sehr sie ein Spiegelbild der Entwicklung dieses Staates ist.
Kirchengeschichte wird hier nicht isoliert und die Kirche als integraler Bestandteil rumänischer Staatlichkeit betrachtet. Dargestellt wird die Geschichte einer Institution und ihrer vielfältigen Akteure mitsamt deren Verwobenheit mit Behörden und politischen Gruppen. Das Buch legt dar, wie die Kirche die Machthaber aller Systeme unterstützte – und dass der Orthodoxismus (die übersteigerte, fremdenfeindliche Auslegung der Orthodoxie) bis in die Gegenwart als ein roter Faden der modernen rumänischen Geschichte zu sehen ist. Die Kirche hat auch einen entscheidenden Beitrag zur ethnischen Homogenisierung des Landes geleistet, dessen nichtrumänische Bevölkerung von 1918 bis heute um etwa zwei Drittel zurückgegangen ist. Und noch im Jahr 2023 hat die Kirche Erfolg damit, die Öffnung der Archive und die Aufarbeitung ihrer Verwicklung in die Diktaturen zu verweigern. Das Buch unternimmt daher eine umfassende kritische Bestandsaufnahme der lückenhaften Forschungslage und wird in Rumänien bereits breit debattiert.
Oliver Jens Schmitt ist Professor für Geschichte Südosteuropas an der Universität Wien und leitet als wissenschaftlicher Direktor die Balkanforschung am Institut für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraums der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Oliver Jens Schmitt: Machtkirche zwischen Diktatur und Demokratie. Geschichte der Rumänischen orthodoxen Kirche (1918–2023). Berlin, Boston: De Gruyter Oldenbourg, 2023. 320 S.