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Presseinformation 9/2022 | 8. Juli 2022

Kommentar zum Streit über EU-Beitritt Nordmazedoniens: Warum Frankreichs Kompromissvorschlag nutzlos und gefährlich ist

Seit Jahren blockiert Bulgarien EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien. Nun hat Frankreich einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der das Veto beenden soll, zugleich aber Massenproteste gerade in Skopje hervorrief, am 6. Juli fielen dabei auch Schüsse. Warum der Vorschlag untauglich ist, kommentiert Prof. Dr. Ulf Brunnbauer, Historiker und Direktor des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung:

Regensburg. Dass ausgerechnet Frankreich einen – problematischen – Kompromissvorschlag vorgelegt hat, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn seit Jahren ist es gerade die französische Regierung, die bei der Aufnahme der Westbalkanstaaten in die EU – ein zunehmend hohl klingendes Versprechen – auf die Bremse drückt. Damit entstand überhaupt erst der Freiraum für Bulgarien, mit nationalistisch begründeten Forderungen den Beitrittsprozess Nordmazedoniens zu stoppen und dafür keinen politischen Preis auf europäischer Ebene zahlen zu müssen. Die Blockade liegt in den Phantomschmerzen begründet, die bulgarische Nationalisten beim Gedanken an Nordmazedonien plagen, weil Nordmazedonien sich weigert, die bulgarische Lesart seiner Geschichte und Identität zu übernehmen.

Frankreich schlug nun vor, dass Nordmazedonien in seiner Verfassungspräambel auch die Bulgaren als konstitutives Volk nennen und dass der Fortschritt bei der Umsetzung des bulgarisch-mazedonischen Freundschaftsvertrages von 2017 zum Bestandteil des Beitrittsprotokolls werden soll. Vorschläge, die kaum umzusetzen sind. Ersteres scheitert an fehlenden Mehrheiten im Parlament Nordmazedoniens, zumal Frankreich keinen reziproken Akt Bulgariens verlangt, wo eine mazedonische Minderheit seit Jahrzehnten der offiziellen Anerkennung harrt. Zweiteres würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen: nämlich einen bilateralen Disput über Fragen, die nichts mit den Aufnahmekriterien zu tun haben, zum Teil der Beitrittsverhandlungen zu machen. Damit wäre Erpressungen durch bestehende EU-Mitglieder gegen Beitrittsaspiranten Tür und Tor geöffnet, insbesondere wenn nationalistisch gesinnte Regierungen bizarre geschichtspolitische Forderungen stellen – was sie gerne tun.

Der Westbalkan droht zum Scherbenhaufen der europäischen Integration zu werden. Im konkreten Fall ist es Bulgarien, das die Aufnahme seines Nachbarn torpediert, und damit auch jene Albaniens, denn die EU hat entschieden, entweder mit beiden oder keinem der beiden Länder zu verhandeln. Welchen Vorteil Bulgarien darin sieht, seine Nachbarregion zu destabilisieren, ist schwer nachzuvollziehen. Der Kreml wird sich jedenfalls freuen, wenn die nationalen Emotionen antieuropäische Rechtspopulisten an die Macht brächten.

Der gesamte Kommentar unter: https://ostblog.hypotheses.org/3470

Medienkontakt

Franz Kurz, M. A.

Öffentlichkeitsarbeit am IOS

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