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Wissen im Umbruch – Institutioneller Aufbau und Umbau der Osteuropa-Studien im frühen 20. Jahrhundert

Bild: IOS/Wolfgang Steinbacher
15.11.2024 Hybrid: IOS (Room 017) and online Conferences

Online zugänglich via Zoom: Link

Das Leibniz Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) und die Herausgeber*innen der Jahrbücher für Geschichte Osteuropas veranstalten anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Zeitschrift eine Tagung zum institutionellen Aufbau und Umbau der Osteuropa-Studien im frühen 20. Jahrhundert.

Der Aufruf, sich mit dem östlichen Europa jenseits der Erforschung Russlands zu beschäftigen, ist nicht neu. Unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg geriet der überschaubare Kreis derer, die sich professionell mit dem Russländischen Imperium beschäftigten, in Unruhe. „Vom Wesen des großen Umgestaltungsprozesses der russischen Gegenwart weiß unsere öffentliche Meinung im Großen und Ganzen nichts. Das Urteil über den Nachbarn muss sicherer werden“ postulierte Otto Hoetzsch Anfang 1913 in einer Denkschrift, die auf die Gründung einer Gesellschaft zum Studium Russlands abzielte, in der wissenschaftliche, politische und ökonomische Interessen fusionierten. Nur wenige Jahre später, nach dem Ende des Krieges und dem Zusammenbruch des Russländischen Reiches, reagierte Hoetzsch auf die staatliche Neuordnung und nahm 1925 in der neu gegründeten Zeitschrift Osteuropa auch die baltischen Staaten und Polen in den Blick. Im selben Jahr erschienen in Breslau erstmals die Jahrbücher für Kultur und Geschichte der Slaven unter Leitung von Erdmann Hanisch – als Fortsetzung der 1924 ins Leben gerufenen Jahresberichte für Kultur und Geschichte der Slaven. Hier gingen Geschichtswissenschaft und Slawistik zusammen, so dass u.a. auch Literatur aus der Tschechoslowakei und der Ukrainischen Sowjetrepublik besprochen wurde.

Die Zeitschrift Osteuropa und die Jahrbücher für Kultur und Geschichte der Slaven, stehen als Beispiel für eine intensive Phase der Institutionalisierung der Beschäftigung mit dem östlichen Europa im Vor- und Nachfeld des Ersten Weltkriegs, die an Universitäten, aber auch in Form von Gesellschaften und Vereinen stattfand – und dies in vielen Ländern Europas ebenso wie in Nordamerika. So weihte Tomáš G. Masaryk 1915 als Exilant die multidisziplinäre School of Slavonic and East European Studies (SSEES) am King’s College London ein und initiierte ein Jahr später mit deren Gründer Robert W. Seton-Watson die Wochenzeitung The New Europe zur Unterstützung der tschechischen und anderer Nationalbewegungen der Habsburgermonarchie. Mit wissenschaftlichem Anspruch ging aus der SSEES 1922 The Slavonic and East European Review hervor. In Warschau war das 1926 gegründete Instytut Wschodni ( Ost-Institut) als wissenschaftliches Institut zur Erforschung Russlands bzw. der Sowjetunion politisch eng verknüpft mit der prometheistischen Bewegung, die die Allianz mit den seit 1918 durch die Sowjetunion unterworfenen nationalen Unabhängigkeitsbewegungen suchte. Durch die Zeitschriften Wschód-Orient pflegte sie Kontakte in den Kaukasus und nach Zentralasien, durch das populärwissenschaftliche Biuletyn Polsko-Ukraiński (Polnisch-Ukrainische Bulletin) förderte sie die polnisch-ukrainische Verständigung innerhalb der Polnischen Republik. Eigene Vorstellungen vom wissenschaftlich und politisch orientierten Studium des östlichen Europas formulierten polnische Historiker 1933 auf dem International Congress of Historical Sciences in Warschau.

Einzelne Initiativen und Protagonisten dieser ‚Gründerzeit‘ sind zum Teil gut erforscht, ihre europäischen und transatlantischen Verflechtungen, ihre unterschiedlichen wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Motivationen jedoch kaum. Im Blickpunkt der geplanten Tagung stehen deshalb u. a. die soziopolitischen Kontexte und Wechselbeziehungen der verschiedenen Projekte, ihre finanziellen Grundlagen, die Biographien und Netzwerke ihrer Akteur*innen, die Konstituierung von Wissensbeständen ebenso wie die Rolle von Reisen, Emigration und Exil.

Programm

9:00

Begrüßung

Ulf Brunnbauer

 

9:10

Einführung

Dietmar Neutatz, Martin Schulze Wessel

 

9:30–11:00

Panel I

Yevhen Horb (Čerkasy) online
The Network of the “Berlin Hermit”: Aleksander Brückner and Scientific Communication in European Slavic Studies in the First Quarter of the 20th Century

Stefan Lehr (Oldenburg)
Josef Pfitzner und das Seminar für Osteuropäische Geschichte an der Deutschen Prager Universität (1928–1945)

Kommentar: Jan Hennings (Wien)

11:30–12:30

Panel II

Polina Barvinska (Regensburg/Odesa)
Repräsentation ukrainischer Themen in deutschen Fachzeitschriften des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts

Kommentar: Martin Schulze Wessel (München)

12:30–13:30

Mittagspause

13:30–15:00

Panel III

Roman Syrota (Lviv) online
Bringing Area Studies in: British Liberal Internationalism and Post-Imperial Eastern Europe (1919–1939)

Rahim Rahimov (Baku)
The Rise of Eastern European Studies in a Periphery: Contexts and Protagonists

Kommentar: Yvonne Kleinmann (Halle)

15:00–15:30

Schlussbemerkungen

Contact person

PD Dr. Katharina Kucher

History Department
Research Associate
Head of the Editorial Board of the Jahrbücher für Geschichte Osteuropas (JGO)

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